Utopie, und jetzt? Utopie!

Utopie / Zitat

Ist ein Zustand realisiert, welcher der Utopie entsprechen soll, so straft die Idee der Utopie ihre eigene Verwirklichung gleichsam wieder Lügen und treibt von selbst über ihre vermeintliche Realisation hinaus. Die Utopie ist also, richtig verstanden, immer die dialektische Einheit von Materie und Geist: die in sich gespannte Einheit ihrer materiellen, praktischen Verwirklichung und ihrer niemals zu verwirklichenden Idee, die immer schon dabei ist, als ein niemals einzuholendes Korrektiv die Wirklichkeit der Utopie auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Genau das ist es was im Realsozialismus einfachhin über Bord geworfen worden ist. […]

Man braucht jedenfalls handfeste Ziele, konkrete Träume und zündende Ideen, wenn man eine Utopie in die Tat umsetzen will; aber es gibt kein Endziel, eine Utopie gibt sich mit ihrer Realisierung nicht zufrieden, sie wirft sofort neue Fragen auf, sie sucht nach neuen Lösungen, und in jeder Epoche tritt sie neu und voller Elan auf. Sie bleibt die stärkste Kraft der Erneuerung, da sie vielseitig, flexibel und holistisch agiert und nie starr einer einzigen Ideologie und Politik folgt.

Artur Becker (2022) Links. Ende und Anfang einer Utopie. Westend Verlag, Frankfurt/M., S. 74-75