Stimme der Wahl

Zeitgeschehen / Zitat

Ich begreife nicht, ich ertrage nicht, daß man einen Menschen nicht nach dem beurteilt, was er ist, sondern nach der Gruppe, der er zufällig angehört. Und seit ich Thomas Mann kenne, seitdem ich ein bißchen deutsch gelernt habe (ich lernte es im Lager!), weiß ich auch, daß es in Deutschland etwas gibt, was Gültigkeit hat, daß Deutschland, heute im Schlaf liegend, trächtig ist und eine Brutstätte ist, gleichzeitig Gefahr und Hoffnung für Europa.

Primo Levi (1958, Ital. 1947) Ist das ein Mensch?, München, S. 7

Uneingerichtet

Uncategorized

Uneingerichtet ist eine neue Wohnung, ist man in einer neuen Partnerschaft und der Beziehung zum Neugeborenen, in einer überraschenden Gesprächssituation, in neuen Freundschaften und Arbeitsstätten. Uneingerichtetsein ist ein Normalzustand auf Reisen und auf der Flucht. Das nomadische Leben ist stellenweise uneingerichtet. Uneingerichtet war auch die Moderne, zunächst, in der Architektur ikonisch abgebildet in Hannes Meyers Coop-Zimmer. Man kann finanziell uneingerichtet sein, neue Gerätschaften sind uneingerichtet und der Geist kann uneingerichtet sein, beschäftigt man sich mit einem unbekannten Thema. Das Neue ist gemeinhin etwas Uneingerichtetes, aber auch Altes kann uneingerichtet bleiben, hält man Dinge in der Schwebe. Das Uneingerichtete kann ein Bewusstseinszustand sein, beabsichtigt oder nicht. Mit dem Uneingerichteten verbindet sich die Improvisation als notwendiger Handlungsspielraum und ebenso das Prekäre, in positivem wie negativem Sinne. Das Uneingerichtete ist von Offenheit geprägt, seine Ränder sind porös. Uneingerichtetheit bringt Freiheiten, aber auch Zwänge mit sich. Im Uneingerichtetsein ist das Hinterfragen von Bedürfnissen, nach Haben oder Sein, der Status quo. Sicherheiten gibt es uneingerichtet kaum; vielleicht jene einer stets erhöhten Wachsamkeit und eines möglichen Aufbruchs ad hoc. In diesem Sinne gehören Möbel und Vorratshaltung, Konten und Versicherungen, Rentenfonds und Erbschaften, Fahrradhelme und Theaterabonnements sowie Vereinsmitgliedschaften und unbefristete Arbeitsverträge zur Kategorie der Einrichtungsgegenstände.

Zuerst erschienen in: Das Föhtong, Nr. 3, März 2024

Forum10: Re/Production Conditions of Architecture – revisited

Alltag / Architektur / Architekturkritik / Bauhaus / Gegenwart / Gesellschaft / Konferenz / NAW

Tagung am Bauhaus-Dessau
„Re/Produktionsbedingungen der Architektur – revisited“
24.-26. Oktober 24 (Do-Sa)

The 10th FORUM Architectural Science, scheduled for October 24 to 26, 2024, at the historic Bauhaus Dessau, celebrates the anniversary by revisiting the theme of the inaugural forum.

This event will update, expand, and explore „Production Conditions of Architecture: Between Autonomy and Heteronomy“ (2014) from multiple perspectives. We engage in both the practice of architecture and its theoretical reflection. Beyond the societal impacts and the creativity inherent in architectural design, the professional lives of architects are profoundly shaped by systemic dependencies, technical requirements, and functional constraints.

Given the challenges of our crisis ridden times, several critical questions emerge:
(1) What new or utopian perspectives, critical attitudes, alternative models, and self-concepts are present in contemporary architectural practice?
(2) What innovative strategies, practices, and roles are emerging?
(3) How are knowledge, skills, relationships, responsibilities, authorship, and aesthetics evolving?
(4) Lastly, what power dynamics, limitations, and areas of ignorance pose challenges to a progressive architectural practice?

To delve deeper into the re/production conditions of architecture, the anniversary forum is organized around three thematic areas. These are intended to unite all participants across various formats and encourage a productive exchange:
– „Dynamics of Work“
– „Promises of Digitalisation“
– „Expansion of Care“

Anmeldung/registration: anmeldung@architekturwissenschaft.net

Program and Information:
https://lnkd.in/eSNQDUaq

See you on Thursday!

The 10th Forum Architectural Science is a collaborative effort involving University of Apllied Sciences Anhalt Dessau, Fachhochschule Kiel University of Applied Sciences, the Architectural Association School of Architecture London, the Technical University Darmstadt and the University of Applied Sciences and Arts Hildesheim.

Funding for this event is provided by the Sutor Foundation (Foundation for the Promotion of the Science of Architecture and Technology) and the momus | Foundation (Foundation for the Promotion of the Theory of Architecture). Additional support is provided by the Bauhaus Dessau Foundation. ___

das Föhtong (Nr. 3)

Das Föhtong / Experiment / Gegenwart / Literatur / Schreiben / Zeitgeschehen

Liebe:r Leser:in, die dritte Ausgabe unseres literarischen Flugblatts // das f ö h t o n g – painted desert // ist erschienen! Hier als Printexemplar zu bestellen: dasfoehtong.de

Release-Abend “Literarischer Dialog” am 19.9.24 in der Bar Studio8 in Berlin.

Verfasst, gestaltet, herausgegeben und verlegt von: Alma Grossen, Sandra Meireis, Arne Schmelzer — literarische Grüße allerseits!

Demokratische Hoffnungsschimmer

Architektur / Gegenwart / Gesellschaft / Politik / Uncategorized

Die Demokratie ist in Gefahr, Autokraten auf dem Vormarsch … allerorts. Aber es ist Sommer, die Gedanken sind leicht und strömen in positivere Gefilde, die Hoffnung giert danach kultiviert zu werden, ein Versuch: Was mich in diesem Moment froh stimmt, ist die Freilassung von Julian Assange, das Ergebnis der Parlamentswahlen in Frankreich, der Rücktritt von Joe Biden (mit Kamala Harris im Hintergrund) und ja, der Führungsstil der Ampel, man mag inhaltlich über die Regierung streiten, aber ihr weniger von Personenkult als von kollektivem Willen bestimmtes Auftreten empfinde ich als Ausdruck ihrer Gegenwärtigkeit, und nicht zuletzt die Durchsetzung von Gebäudetyp E (BMWSB-Leitlinie und Prozessempfehlung) als Hinwendung zu einfacherem Planen und Bauen, mindestens als Anerkennung eines überregulierten Marktes, der klimapolitische Ziele völlig konterkariert.

Schallexuberanz

Alltag / Kapitalismus / Zeitgeschehen

Gewöhnlich gehe ich in Cafés oder Restaurants, um mich mit Menschen zu treffen und auszutauschen, dabei etwas zu trinken ggf. zu essen, oder zu schreiben, neu gewonnene Eindrücke auf mich wirken zu lassen, den Geist zu besänftigen oder die Füße von einer anstrengenden Reise auszuruhen. Nichts davon legt nahe, dass man dafür lautstarke Hintergrundmusik benötigt. Ich empfinde das als Zumutung und befürchte es ist auch so gedacht: zur Begrenzung der Aufenthaltszeit über die Konsumtion hinaus wird die Gesundheit des Personals geopfert und die Toleranz der Gäste strapaziert. Sogar bemerkenswert geschmackvolle Interieurs und selten ausgefeilte Speisen sind unter diesen Umständen … kaum etwas wert. Im Gegenteil, die gute Ausstattung verstärkt das Gefühl dabei lediglich notwendige, aber unliebsame Statistin zu sein. Dieses Phänomen lässt sich unter der Kategorie „defensiver Architektur“ subsumieren, wozu auch die lautstarke Beschallung, oftmals mit klassischer Musik, von öffentlichen Transporträumen, z.B. U-Bahn-Gängen gehört, damit Obdachlose dort nicht verweilen. Defensive Architektur im öffentlichen Raum eingesetzt, ist eine geradezu anti-demokratische Maßnahme. Aber ja, diese Dauerbeschallung und der mithin erhöhte Stresspegel scheint so manchem Lebensentwurf entgegenzukommen. Sucht man hingegen stille Ruhe in der Stadt, bleibt noch so manche Bibliothek, Kirche oder Kunstinstitution – wobei man sich dort auf je andere Weise begegnet.

CfP: Re/Production Conditions of Architecture – revisited

Alltag / Architektur / Architekturkritik / Bauhaus / Gegenwart / Gesellschaft / Konferenz / NAW

The 10th FORUM Architectural Science, scheduled for October 24 to 26, 2024, at the historic Bauhaus Dessau, celebrates the anniversary by revisiting the theme of the inaugural forum. This event will update, expand, and explore „Production Conditions of Architecture: Between Autonomy and Heteronomy“ (2014) from multiple perspectives.

We engage in both the practice of architecture and its theoretical reflection. Beyond the societal impacts and the creativity inherent in architectural design, the professional lives of architects are profoundly shaped by systemic dependencies, technical requirements, and functional constraints. Given the challenges of our crisis-ridden times, several critical questions emerge: What new or utopian perspectives, critical attitudes, alternative models, and self-concepts are present in contemporary architectural practice? What innovative strategies, practices, and roles are emerging? How are knowledge, skills, relationships, responsibilities, authorship, and aesthetics evolving? Lastly, what power dynamics, limitations, and areas of ignorance pose challenges to a progressive architectural practice?

Ästhetik und Architektur

abk— / Architektur / Architekturtheorie / Ästhetik / Publikation / transcriptVerlag

OUT NOW//GERADE ERSCHIENEN

Daniel M. Feige, Sandra Meireis (Hg.)

Ästhetik und Architektur

Bd. 2 der Schriftenreihe des Weißenhof-Instituts zur Architektur- und Designtheorie

Die ästhetische Tradition im Gefolge der Moderne hat die Architektur als randständiges Phänomen behandelt. Eine am Paradigma autonomer Kunst oder an einer kontemplativ verstandenen Theorie ästhetischer Erfahrung orientierte Ästhetik wusste mit der immer auch auf Zwecke bezogenen Architektur nicht immer viel anzufangen. Kants Diktum des interesselosen Wohlgefallens legt davon ebenso Zeugnis ab wie Hegels Verortung der Architektur an der Grenze der Kunst.

Die Beiträge des Bandes thematisieren die Frage, was es für die Grundbegriffe der Ästhetik heißen würde, sie ausgehend von der Architektur und damit einer immer auch funktionalen Kunst neu zu denken: Bedürfen Begriffe wie Kunst, Sinnlichkeit, Urteil und Erfahrung einer Reformulierung, um den ästhetischen Eigenarten der Architektur angemessen Rechnung zu tragen?

https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-6445-4/aesthetik-und-architektur/?c=311018983

Regeln im Dunkeln

Algorithmus / KI / Soziale Medien / Zitat

Und noch während wir mehr Empathie, schärfere Gesetze, einen Kulturwandel, Zivilcourage, Schulungen für die Polizei und vieles mehr einfordern, müssen wir uns eingestehen, dass wir im Dunkeln tappen. Denn die digitale Architektur, die diese Entwicklungen prägt, ist intransparent. Es wird zwar viel gemutmaßt und philosophiert, doch die Algorithmen auf den prominentesten sozialen Plattformen sind für die Öffentlichkeit nicht einsehbar.

Stellen Sie sich ein skurriles Abendessen vor, bei dem weder Sie noch die anderen Gäste begreifen, nach welchen Regeln das Tischgespräch verläuft, an dem sie doch alle beteiligt sind. Sie wissen nicht, warum der eigentlich kluge Kommentar Ihrer Sitznachbarin so leise klingt und von den meisten anderen am Tisch anscheinend nicht gehört werden kann. Sie wissen nicht, warum das lustige Familienvideo eines anderen Sitznachbarn stundenlang am Tisch herumgereicht wird. Sie wissen nicht, warum ein einzelner Wortbeitrag plötzlich alle anderen übertönt. Sie wissen nicht, warum eine Zufallsbekanntschaft, die eben noch am anderen Ende des Tisches platziert war, nun plötzlich neben Ihnen sitzt und Ihnen alte Hochzeits- und Urlaubsfotos vor die Nase hält. Die Sprache am Tisch wird aus irgendeinem Grund rauer. Jemand tobt vor Wut, die Stimmung kippt. Es schreit ein Mann quer über den Tisch und hält den alten Tweet einer Politikerin hoch, ein anderer wedelt mit einem Blog-Eintrag aus der letzten Woche. Die anderen schreien empört zurück. Chaos.

Warum, so müsste die Frage lauten, machen wir eigentlich freiwillig mit bei einem Spiel, dessen Regeln wir nicht kennen? Anlässe, dies nicht mehr zu tun, gibt es mehr als genug.

Kübra Gümüşay (2021) Sprache und Sein. 2. Auflage, btb Verlag, München, S. 118-119

Essentials of Montage in Architecture

Architektur / Architekturtheorie / Publikation / transcriptVerlag / TU München

OUT NOW//GERADE ERSCHIENEN

Max Treiber, Sandra Meireis, Julian Franke (eds.)

Dimensions. Journal of Architectural Knowledge

Vol. 2, No. 4/2022: Essentials of Montage in Architecture

»Dimensions. Journal of Architectural Knowledge« is an academic journal in, on and from the discipline of architecture, addressing the creation, constitution and transmission of architectural knowledge. It explores methods genuine to the discipline and architectural modes of interdisciplinary methodological adaptions. Processes, procedures and results of knowledge creation and practice are esteemed coequally, with particular attentiveness to the architectural design and epistemologies of aesthetic practice and research.

Dimensions Issue 4/2022, edited by Max Treiber, Sandra Meireis, and Julian Franke, provides a comprehensive collection of theories, methods, and visions to highlight the relevance of montage for visual and spatial practices as well as for knowledge production in architecture. 

https://www.dimensions-journal.eu/

https://www.transcript-verlag.de/978-3-8376-5921-4/dimensions.-journal-of-architectural-knowledge/?number=978-3-8376-5921-4

das Föhtong (Nr. 2)

Das Föhtong / Experiment / Gegenwart / Literatur / Schreiben / Zeitgeschehen

Liebe:r Leser:in,
die zweite Ausgabe unseres literarischen Flugblatts // Das  f ö h t o n g – Das zweischneidige Pferd // ist gerade frisch erschienen! 🎠🎠 Wenn Du unsere neuesten Kurztexte, Gedichte und Kommentare lesen möchtest, bestelle hier eine *blaue* Ausgabe als handgefertigtes Printexemplar zu Dir nach Hause:
dasfoehtong.de

Verfasst, gestaltet, herausgegeben und verlegt von:
Alma Grossen, Sandra Meireis, Arne Schmelzer

Falls Du diese Nachricht an potentielle Leser:innen weiterleiten, oder selbst einen Beitrag in einem frei wählbaren Format (Text / Grafik) zur kommenden Ausgabe leisten möchtest, freuen wir uns — Danke und literarische Grüße!

K-Gruppen, damals und heute

Klimakrise / Zeitgeschehen

Lauscht man Berichten und Erzählungen über die studentischen Revolten um 1968, dann stolpert man immer wieder über das Entstehen und die Formation unzähliger K-Gruppen. Aus heutiger Sicht ein undurchsichtiger Dschungel verschiedenster Ausprägungen kommunistischer Interessengruppen, Kreise, Parteien, Vereine, Zusammenschlüsse, etc., die je unterschiedlich organisiert, fokussiert, politisch und/oder kulturell aktiv waren.

Heute gibt es eine neue Bandbreite an K-Gruppen und zwar jene der großen Klimabewegung. Ähnlich vielfältig organisiert, fokussiert, politisch und/oder kulturell aktiv(istisch). Die Aufregung u.a. über die kulinarischen Attacken der Letzten Generation (mitfinanziert durch den Climate Emergency Fund) auf höchst wertvolle Gemälde lässt sich damit relativieren. Sinnvoll oder nicht (postkoloniale Kritik an der europäischen Kulturgeschichte / TikTokisieruung von Protest), ist es aber eines von vielen möglichen Ventilen der Ohnmacht gegenüber den Ungeschicken der Macht (Profit over People), die keine wirklich ernsthaften Hebel in Bewegung setzt, um die Katastrophe abzuwenden, Ausdruck zu verleihen. Der gesellschaftliche Aufschrei gegenüber friedlich gestimmtem, zivilem Ungehorsam scheint einfacher und lauter von statten zu gehen als die Empörung gegenüber der gewaltsam fortgeführten globalen Ungleichheitspolitik und fehlenden Solidarität. Ist die Frage, wie weit darf Klimaprotest gehen, nicht falsch gestellt?

Die großen Schauen

Architektur / Documenta / Kunst / Manifesta / Uncategorized

Manifesta 14 (Prishtina) und Documenta fifteen (Kassel): Beide gehen auffallend sensibel mit den Räumen für die Kunst oder besser: mit der Auswahl der Werke entsprechend den Räumlichkeiten um. Das ist stark. Das ist durchaus Konzept. Das gelingt. Für beide Schauen hatte ich in diesem Sommer jeweils nur einen Tag reserviert, allzu wenig Zeit, aber genug, um festzustellen, dass Kunst- und Architekturwelten zunehmend verschmelzen, mindestens im Sinne des Betrachters. Es sind gerade die Räume des Alltäglichen, die sich besonders gut für die Kunst anbieten. Nicht der spektakuläre Raum, sondern der beiläufige, ja unaufdringliche, jener der thematisch sich anbietet und Ausblicke schafft, Fenster in die Gegenwart. Und doch jene, die Atmosphäre schaffen, um zu Bleiben, fast immersiv die Kunst erleben lassen, ohne dass das Räumliche expliziert wird, lediglich vorgedacht, sorgsam ausgewählt, die Kunst sich anschmiegen lässt, sie hochsensibel umschließt. Das gilt für Malerei ebenso wie für Skulptur und Installation, Lyrik und Musik. Die Autonomie der Kunst gewinnt an Kraft durch ihre Einbindung ins Leben.

Utopie, und jetzt? Utopie!

Utopie / Zitat

Ist ein Zustand realisiert, welcher der Utopie entsprechen soll, so straft die Idee der Utopie ihre eigene Verwirklichung gleichsam wieder Lügen und treibt von selbst über ihre vermeintliche Realisation hinaus. Die Utopie ist also, richtig verstanden, immer die dialektische Einheit von Materie und Geist: die in sich gespannte Einheit ihrer materiellen, praktischen Verwirklichung und ihrer niemals zu verwirklichenden Idee, die immer schon dabei ist, als ein niemals einzuholendes Korrektiv die Wirklichkeit der Utopie auf ihre Gültigkeit hin zu überprüfen. Genau das ist es was im Realsozialismus einfachhin über Bord geworfen worden ist. […]

Man braucht jedenfalls handfeste Ziele, konkrete Träume und zündende Ideen, wenn man eine Utopie in die Tat umsetzen will; aber es gibt kein Endziel, eine Utopie gibt sich mit ihrer Realisierung nicht zufrieden, sie wirft sofort neue Fragen auf, sie sucht nach neuen Lösungen, und in jeder Epoche tritt sie neu und voller Elan auf. Sie bleibt die stärkste Kraft der Erneuerung, da sie vielseitig, flexibel und holistisch agiert und nie starr einer einzigen Ideologie und Politik folgt.

Artur Becker (2022) Links. Ende und Anfang einer Utopie. Westend Verlag, Frankfurt/M., S. 74-75