Ein Jahreswechsel regt zur Reflexion an. Der Monat Januar entlehnt seinen Namen dem Gott Janus, dem Zwei-gesichtigen, der gleichermaßen zurück wie nach vorne schaut bzw. sich ambivalent oder gar doppelmoralisch verhält.
Neujahrsvorsätze haben meistens etwas mit “im Leben aufräumen” zu tun. Aufräumen läßt sich – je nach Dringlichkeit – Diverses: Körper und Wohnung, Geist und Gedanken, Bedürfnisse und Wünsche, Beziehungen zu Menschen und Verhältnisse zu Dingen, politische Ideologien und gesellschaftliche Vorurteile, persönliche Arbeitsweisen und Karrierebestrebungen, das Chaos digitaler und analoger Archive — man könnte das alles mal neu sortieren. Dann oder wann. Aber warum genau jetzt? Ist Veränderung – um ein Klischee zu bemühen – nicht das einzig Beständige in dieser Welt?
Die Idee von Neujahrsvorsätzen war mir immer schon schleierhaft, gar fremd. Weshalb sollte man sich im neuen Jahr – psychoanalytisch betrachtet – anders als im Jahr zuvor verhalten (müssen/können)? Das Jahr wechselt. Aber ich bleibe. Der Mensch bleibt. Menschen bleiben wie sie sind. Sind gar gute Absichten eine christliche Erfindung, die den vermeintlichen Weg zum Himmel pflastern bzw. eher den zur Hölle, weil man sie programmatisch bricht?