Der Rebound-Effekt

Dystopie / Energieökonomie / Gegenwart / Kapitalismus / Klimakrise

Technische Innovationen sind oft faszinierend, zumeist fortschrittlich, manchmal sogar heilsbringend. Der Forschungsdrang von Wissenschaftler:innen, gepaart mit dem Innovationszwang der kapitalistischen Wirtschaftslogik, bringt technische Entwicklungen stetig hervor, die gesellschaftlich betrachtet oft hilfreich sind, mitunter aber sowohl ökonomisch instrumentalisiert, als in Folge auch von den Konsument:innen unhinterfragt angenommen werden, schlicht deshalb, weil es geht. Die Liste der Absurditäten ist lang und irrwitzig.

Eine mögliche Zusammenhanglosigkeit von technischer Innovation und tatsächlicher Nachhaltigkeit, d. h. gleichzeitig und gleichermaßen ökologisch, ökonomisch und sozial, lässt sich anhand des “Rebound-Effekts” erkennen. Eine kurze Definition lautet: Der Rebound-Effekt ist ein Anstieg des Energieverbrauchs aufgrund einer Effizienzsteigerung (Martin Achternicht, Simon Koesler, 2014, zit. nach https://de.m.wikipedia.org/wiki/Rebound-Effekt_(Ökonomie)). Das kann sich direkt oder indirekt zeigen. Es ist einer der am meisten unterschätzten Hindernisse auf dem Weg in eine nachhaltige Wirtschaftsweise, so formuliert Maja Göpel in ihrem Buch “Unsere Welt neu denken. Eine Einladung” (2020: 99).

Um an dieser Stelle nicht tiefer in solch reichlich abstrakte energieökonomische Definitions- und Erklärungsversuche einzutauchen, aber dennoch die erstaunliche Karriere dieses Phänomens einzufangen, seien wenige griffige Beispiele angeführt:

Wenn der Automobilsektor sich so entwickelt hätte, wie die Industrie der Informatik, dann hätten wir heute Autos die 25 Dollar kosten und 500 km mit 1 Liter fahren würden (Bill Gates). Am Auto zeigt sich besonders gut, wie vielfältig der Rebound-Effekt wirkt. Es ist eines der Produkte, bei dem noch so gut wie jede Effizienzsteigerung auf irgendeiner Ebene wenigstens teilweise wieder aufgehoben wurde. Diese Aufhebung kann auf direkte Weise in der Nutzung geschehen. Etwa, wenn jemand, der sich ein benzinsparendes Auto gekauft hat, dieses Auto nun häufiger nutzt […]. Es kann auch auf indirekte Weise geschehen, indem sie [die Person] sich für das im Unterhalt gesparte Geld etwas leistet, das sie sich bisher nicht leisten konnte […]. Dasselbe gilt auch auf der Ebene der Produzenten. […] Ein ganz normaler VW Käfer verbrauchte Mitte der Fünfzigerjahre 7,5 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Als VW das Fahrzeug Ende der Neunzigerjahre als Beetle wieder auflegte, verbrauchte es fast genauso viel. Dabei lagen vierzig Jahre technische Entwicklung, Ingenieursarbeit und Effiziensstreben zwischen beiden Modellen. […] Was an geringerem Verbrauch möglich gewesen wäre, wurde für zusätzliche Leistungen ausgegeben. Energie wurde nicht eingespart, Material auch nicht, im Gegenteil […].

Dasselbe gilt für die Baubranche: Unsere Heizungen etwa sind sparsamer als jemals zuvor, die Gebäude wärmeisoliert, aber da der Raumbedarf pro Kopf immer weiter gestiegen ist […], sinkt der Energieaufwand eben trotzdem nicht. Und dasselbe gilt für unsere Elektrogeräte […] und das sogenannte Geo-Engeneering (Göpel, 2020: 105-109).

Übertragen lässt sich das Phänomen auch auf die Arbeitswelt, wie sonst wäre zu erklären, dass die Effizienzsteigerung der Digitalisierung die Menschen noch immer an den Standard einer 40-Stunden-Woche bindet?