Fotos: Yukio Futagawa (1985) Ricardo Bofill / Taller de Arquitectura. Mit einer Einleitung von Christian Norberg-Schulz, S 27, 99
„Mit der Bezeichnung kritischer Regionalismus ist nicht der regionale Stil gemeint, der einst spontan durch das Zusammenwirken von Klima, Kultur, Mythos und Handwerk entstand. Sie bezieht sich vielmehr auf jene neueren regionalen ‚Schulen‘, deren Ziel es ist, die begrenzten Gesellschaften, in denen sie begründet sind, im kritischen Sinne zu repräsentieren und zu bedienen. Ein solcher Regionalismus hängt in gewissem Maße von dem Zusammenhang zwischen der politischen Identität einer Gesellschaft und dem Architektenberuf ab“, schreibt der Architekturhistoriker Kenneth Frampton in seinem Buch Die Architektur der Moderne (1980).
Das Werk des katalanischen Architekten Ricardo Bofill / Taller de Arquitectura nimmt in diesem Zusammenhang eine Sonderposition ein, die jüngst in der internationalen Architekturszene eine rege Rezeption und neue Beliebtheit erfährt. Bofill entwickelt eine ganz eigene Architektursprache, die in enger Verbindung zu ihrer natürlichen und kulturellen Umgebung steht und als Ansatz eines integrierten Urbanismus Bekanntheit erlangt.
Heute ist es an der Zeit „die Bedeutsamkeit, die Legitimität, die Notwendigkeit der Zugehörigkeit zu einem Boden“ wieder zur Sprache zu bringen, „aber ohne dass dies — und darin liegt die ganze Schwierigkeit — gleich wieder mit den Ingredienzien verwechselt wird, die dem Lokalen beigemischt sind: ethnische Homogenität, Musealisierung, Historizismus, Nostalgie, falsche Authentizität“, reflektiert der Soziologe Bruno Latour in seinem Buch Das Terrestrische Manifest (2018).