Es gibt kaum Etwas, was mich derzeit mehr umtreibt, auch durcheinander bringt und mit gedanklichem neu sortieren beschäftigt als die Auflösung alter (politischer) Gewissheiten. Damit bin ich natürlich nicht alleine. Freiheit (mithin Gleichberechtigung und Solidarität) war einst eine klassische Forderung der Linken, während die Konservativen traditionell bewahrend auf Sicherheit setzten. Nun, da sich alle vermeintlichen Gewissheiten umzudrehen scheinen, die Worte/Sprache (z. B. Querdenken) und Zeichen/Symbolik (z. B. Ästhetik der neuen Rechten, vgl. Daniel Hornuff) gekapert und umgedeutet werden, die extremen Ränder erstarken, die gesellschaftliche Mitte als linker Mainstream verstanden wird, gegen den der „unzufriedene Mob“ aufbegehrt (dagegen sein heißt heute rechts sein, vgl. Didier Eribon), die bürgerliche Idee dem Verfall preisgegeben ist und Esoterisches in die Nähe von Rechtspopulismus rückt, scheint sich das Verhältnis umzudrehen und das Sicherheitsbegehren den Linken zugeordnet werden zu können, während der Ruf nach Freiheit — gegen das demokratische Diktat 🤔 und die politische Korrektheit — von der rechten Seite her schallt.
In Zeiten von Covid-19 heißt es, laut Statistik, dass jede*r dritte Bundesbürger*in, Verschwörungsmythen (mit Theorien hat man es hier wahrlich nicht zu tun!) zugeneigt sei. Für mich liegt die Sache auf der Hand, d. h. egal von welcher Seite, Verschwörungserzähler*innen verweigern sich schlicht der Komplexität der Realität (und Wissenschaft). Dabei wird geraunt — in Abgrenzung zu den Anderen, also den Corona-Maßnahmen–Mitläufer*innen — selbst noch denken zu können (Mündigkeit) — aha! Ob streiten darüber hilft? Ich bleibe im Prozess und versuche meinen diskutierenden Blick noch ein bisschen zu schärfen.