Mermaiding

Alltag / Antifeminismus / Berlin-Wedding / Schreiben / Schwimmen

Nach längerer Zeit habe ich das Kombibad Seestraße mal wieder besucht — eine Nord-West-Berliner Institution, die mit zwei 50-Meter-Becken (für Schwimmerinnen wie mich) und wenigen unaufdringlichen Spaßbadelementen (für Kinder) aus dem Wedding, sommers wie winters, nicht wegzudenken ist. Ich habe diesem Schwimmbad viel zu verdanken. Temporäre Denkknoten und Schreibblockaden haben sich unter Wasser aufgelöst bzw. in sinnfällige Textpassagen verwandelt. Der bewegte Körper bewegt den Geist. Dieses Bad ist — bunt und lebendig — ein Spiegelbild seiner Nachbarschaft.

Aber auch hier räumt der “kraulende Mann” — auf der selben Bahn in entgegengesetzter Richtung — der “brustschwimmenden Frau” keinen Platz ein; die Frau weicht, wenn auch widerwillig, notgedrungen aus. Die Hierarchien sind klar. Beim Schwimmen gibt es keinen (ausgleichenden) Dialog.

Einige Bahnen später tauche ich auf; gönne mir eine kurze Pause am Beckenrand mit Blick auf den Wasserspielbereich der Kinder. Ich sehe ein Mädchen von etwa zehn Jahren in ein Kostüm schlüpfen — Wunsch-Personae: Meerjungfrau. Sie steigt in ein mit blau-grünen Fischschuppen illustrierten und delfin-großer Fischflosse applizierten Nylon-Schlauch; damit pfercht sie ihre Beine zusammen, unfähig auch nur einen Schritt zu laufen. Überrascht bin ich nicht, aber hochgradig irritiert.